Das feuerrote Fahrrad
Großer kleiner Benny Bär
Florian und der böse Schneemann
Ich bin Puffel, der Superpatient
und
Ich bin Puffel, das Superschwein
Kinder, wie die Zeit vergeht! Jetzt steht schon mein zweites Weihnachtsfest bevor, und ich bin ganz aufgeregt, was ich wohl diesmal geschenkt bekommen werde! Dabei kann ich mich noch gut daran erinnern, wie alles begann. So, als wäre es gestern erst geschehen. Den eigentlichen Anfang unseres Zusammentreffens kenne ich zwar nicht persönlich, aber Debbie, das zehnjährige Mädchen, das sich als meine Adoptivmama sieht, hat die Geschichte schon so oft erzählt, das ich sie schon mitquieken kann.
‚Ein Meerschwein kommt mir nicht ins Haus!’ Das soll Marcus, ihr Vater, tatsächlich gesagt haben, als sie an einem Sonntagmorgen zum ersten Mal von ihrem Wunsch sprach, mich bekommen zu dürfen. Pah! Als ob ich ein Grippevirus oder so etwas Lästiges sei. Na ja, ich habe ihn deswegen auch schon öfter mal ordentlich gebissen, wenn er gerade nicht damit gerechnet hat und ich zuvor noch mein unschuldigstes Gesicht aufgesetzt habe.
Aber zum Glück hat das Kind ja nicht locker gelassen. Erst hat sie den Eltern beim Frühstück einen Vortrag über die Vorteile der Meerschweinchen gehalten, so z.B., dass wir lieb und flauschig sind, gesellig und kinderfreundlich, friedliebend und preiswert (Frechheit, ich bin doch kein Schnäppchen !). Irgendwie hat das ihren Eltern aber nicht imponiert; nicht einmal, als sie ihnen ihre Erkenntnisse auch noch in schriftlicher Form überreichte. Stattdessen hatten sie fadenscheinige Argumente: ‚Wer soll sich denn immer um das Tier kümmern? Wer soll es versorgen, wenn wir im Urlaub sind?!’ Dummes Gequatsche! Da kann ich ebenso gut ‚oink, oink, oink’ als Argument anführen. Das ist genauso stichhaltig.
Debbie rief dann wirklich eine Oma nach der anderen an, um die ‚Urlaubsvertretung’ sicher zu stellen. Die erste Oma soll aus Abneigung gegen ‚pelzige Nagetiere’ vehement abgelehnt haben (bin ich ein Biber, oder was?), die zweite Oma erinnerte sich noch gut daran, dass ihr Sohn, also Debbies Papa, ja auch Mäuse und Hamster hatte (vor allem: Mäuse und Hamster! Was für eine Erniedrigung! Debbies Eltern vergleicht doch auch niemand mit Schimpansen!). Daher erklärte sie sich gerne bereit, mich ‚gelegentlich’ zu versorgen. Na, bitte!
Da fällt mir übrigens ein: Sylvia, also Debbies Mama, soll sogar zwei Wellensittiche und zwei Hähne (!) und zwei Kaninchen gehabt haben. Zwar nacheinander, aber das ist doch wohl schon ein halber Streichelzoo! Und da wird darüber diskutiert, ob das Kind so ein reinliches, pflegeleichtes Tier wie mich bekommen darf?! Hallo? Auf welchem Planeten leben die Eltern denn?
Die Geschichte ging ja noch weiter! Ihre Nachbarin Angela, die ahnungslos an der Tür klingelte, wurde gleich ins Haus gezerrt, nur weil ihr Kind auch mal ein Meerschweinchen besaß. Nun wollte man ihre Erfahrungen hören. Wahrscheinlich warteten die Eltern freudig darauf, dass sie zugab, dass so ein Tier sich nachts häufig in einen Werwolf verwandelt und die Familie anfällt oder dass es seine Exkremente, soll heißen, seine ‚Kötel’, mutwillig durch das Zimmer feuert und auf Menschen zielt. Aber: Pech gehabt! Sie schwelgte in Erinnerungen und versicherte, dass es als erstes Haustier für ein Kind keinen besseren Spielkameraden als ein Meerschweinchen gäbe.
Doch auch das überzeugte sie noch nicht. Debbie musste aus der Stadtbücherei Lektüre über meine Artgenossen heranschleppen, und vom Taschengeld kaufte sie sich sogar einen Bildband über meine ‚artgerechte Haltung und Pflege’. Sie bombardierte ihre Eltern zwei Wochen lang mit diesem Thema. Schon morgens im Bad soll sie meine Vorteile rezitiert haben. Und tatsächlich: ‚Steter Tropfen höhlt den Stein’! Ihre Eltern gaben auf. Ich weiß nicht, ob ihnen die Argumente ausgingen oder ob sie einfach nur noch ihre Ruhe haben wollten. Aber diese Art der Verhandlungsführung habe ich mir gut gemerkt. Wenn ich was futtern will, wetze ich seitdem meine Schneidezähne so lange an den Gitterstäben, bis sie genervt mit ein paar Leckereien angerannt kommen. Na bitte, geht doch!
Also, wie schon berichtet, die Entscheidung war endlich gefallen, und die Eltern überraschten meine Debbie zu ihrem 9. Geburtstag mit der Mitteilung, dass sie ein ‚Meerschwein’ haben darf. Natürlich noch kein Wort davon, wie cognacbraun mein seidiges, glattes Fell schimmern würde, wie elegant sich der weiße Kragen um meinen männlichen Leib schmiegt, wie vorwurfsvoll meine schwarzen, glänzenden Knopfaugen schauen können, wie perfekt sich meine braune und meine weiße Vorderpfote ergänzen, wie zierlich meine kleine rosa Unterlippe wirkt und wie gezielt meine winzige Zunge zum Einsatz kommt – aber das alles wussten sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht!
Sie wussten nur, dass ‚das Tier’ in aller Ruhe und mit Bedacht gekauft werden sollte. Man wollte ja nur nichts überstürzen! Darum rannten sie auch gleich am nächsten Tag los, um meinen Käfig und das gesamte Zubehör heranzuschaffen. Und in den nächsten Tagen wurden sämtliche Zoohandlungen in der Umgebung abgeklappert, um mich zu finden. Sie mussten sich von den Zoohändlern übrigens ein paar Mal anhören, dass die ‚Tiere’ aber unbedingt mindestens zu zweit gehalten werden sollen, da sie so ‚gesellig’ seien und sonst verkümmern würden. Also, Leute, ehrlich! Was bin ich froh, dass ich meinen Käfig für mich alleine habe. Ich brauche wenigstens mein Futter nicht zu teilen und den ganzen Tag das Gequieke der anderen mitanhören. Mir reicht schon voll und ganz das Gesabbel der Familie: “Na, komm doch mal her, du Süßer. Mein Quiekeschweinchen, mein Puffelino, mein Stinkebärchen.“ Großer Gott! Gut, dass sie meine Antworten nicht verstehen...
Aber ein Gutes hatte es doch: Wenigstens haben die Zoohändler ihnen ein so schlechtes Gewissen eingeredet, dass immer viel mit mir gespielt wird, weil ich doch so ‚gesellig’ bin! Sogar abends hocken sie manchmal bei mir. Na, ja, bei dem Fernsehprogramm auch kein Wunder.
Ich weiß übrigens schon, dass es die Liebe auf den ersten Blick wirklich gibt. Wenige Monate war ich erst alt, aber wie ich so von meinem Fressnapf aufsehe und in diese unschuldigen blauen Augen blicke, dazu noch das zarte Antlitz und das schulterlange, haselnussbraune Haar..., da war es um mich geschehen! ‚So muss sie aussehen, solche Augen muss sie haben, die, mit der ich leben möchte’, dachte ich bei mir. Und ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich auch sie jubeln hörte: „ Papa, das Meerschweinchen von gestern ist zum Glück noch da! Dort drüben! Es frisst gerade! Das will ich unbedingt haben! Genau so sollte mein ‚Puffel’ aussehen! Bitte, bitte!“
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Aber, ‚Puffel'? Na, ja, ich werde mich wohl mit dem Namen anfreunden müssen. Es hätte ja auch schlimmer kommen können. ‚Piggy’ zum Beispiel. Oder auch ‚Wutzi’ oder ‚Schnitzel’.
Der Weg zu uns nach Hause war dann übrigens nicht so prickelnd. Ein ungehobelter Kerl aus der Tierhandlung packte mich mit seinen großen Händen und ließ mich in einen Pappkarton mit Luftlöchern plumpsen, als ob ich ein Cheeseburger sei. Wohl war mir nicht bei der Sache, zumal es drinnen total dunkel war. Aber als meine Hübsche dann im Auto meinen Karton auf dem Schoß hielt und mir liebevoll zuflüsterte, dass sie „Debbie, die neue Adoptivmama“ sei, hatte ich die Situation wieder voll im Griff.
Ich habe mich dann auch sehr schnell zurecht gefunden und an das behagliche Leben im Kinderzimmer gewöhnt. Und schnell bin ich sogar zum beliebtesten Mitglied der Familie geworden. Es ist daher nur angemessen, dass ich meist zuerst begrüßt werde, sogar von Debbies Papa: „Ja, Puffelchen, mein Kleiner. Wie geht es denn meinem Süßen?! ...Hallo, Sylvia, hallo, Debbie!!! Ich bin wieder zu Hause!!!“
Er hat sich übrigens schnell daran gewöhnt, dass ich kein Katzenklo brauche, sondern meine ‚Geschäfte’ spontan verrichte. Sogar, wenn ich mitten auf den Teppich ‚gepiffelt’ oder ‚gekötelt’ habe, sagt er nur: „Macht doch nichts. Die Flecken bekommt man doch leicht wieder raus.“ (Und der wollte mich nicht haben! Oink, oink, oink!)
Das Schärfste aber ist, das ich schon bei der ‚Anti-Pelznager-Oma’ Urlaub gemacht habe. Sie krault mich sogar freiwillig an meiner Lieblingsstelle unter dem Kinn. Überhaupt sind alle Großeltern närrisch, wenn es um meine Person geht, und sie reißen sich um die Urlaubsvertretung. Tja, Kinder, ich kann aber nicht überall sein!
Am Liebsten bin ich eh zu Hause bei meiner Hübschen. Sie nimmt mich jeden Tag eine gute halbe Stunde raus, und dann spielen wir zusammen. Rennen, springen, ablecken, das alles macht mir viel Spaß. Nur, wenn sie mir aus ihren Büchern einen Parcours baut, durch den ich laufen soll, um irgend so ein vertrocknetes Stück grüne Gurke zu suchen – das ist schon ziemlich öde! Aber,... wenn’s ihr gefällt! Mach’ ich halt gute Miene zum bösen Spiel!
Sie sollte übrigens weniger Blumen in meinem Zimmer stehen haben. Denn es passiert oft, dass ihre Mutter oder ihr Vater in den Raum kommen und rufen: „Puh, hier muss dringend mal gelüftet werden, hier stinkt’ s gewaltig. Ich selbst rieche es zwar nicht, aber es können nur die Topfpflanzen sein, also weg damit!
Nun denn, wie anfangs schon erwähnt, steht Weihnachten wieder vor der Tür. Letztes Jahr am Heiligabend haben sie mich im Käfig runter ins Wohnzimmer geholt und vor den Tannenbaum gestellt, damit ich ‚ die Show’ bloß nicht verpasse. Ich habe natürlich auch von der ganzen Familie etwas geschenkt bekommen; nur haben sie grüne Gurke, Chicoree, Äpfel und Trockenfutter nicht extra eingepackt, da ich die Schleifen so schlecht mit den Pfoten aufkriege. Sind wirklich in Ordnung, meine Leute. Man muss eben nicht nur Schwein sein, sondern auch Schwein haben!
Man sieht, bei uns ist fast der Alltag eingekehrt. Aber ich sehe schon zu, dass hier keine Langeweile aufkommt. Darum will ich das noch schnell erzählen: Letztens lag ich bei Debbies Mama auf dem Schoß und ließ mich kraulen. Da kam mir in den Sinn, wenn es fliegende Hunde und fliegende Fische gibt, warum keine fliegenden Meerschweinchen?! Vielleicht hat es nur noch keines versucht! Also holte ich tief Luft, setzte mich in Position und...sprang los! Leider bin ich nur hingeflogen! ‚Shit happens’ dachte ich enttäuscht und zog mich verärgert unter den Puppenwagen zurück. Nur das Kind und ihre Mutter machten Panik: Sie schrieen erschrocken durcheinander, zwängten mich in eine beengte Plastikbox und rasten mit mir zur Tierärztin. Die untersuchte mich sehr gründlich...(‚Hallo!! Kennen wir uns vielleicht näher?! Ich muss doch sehr bitten!’)...und kam dann zu der nahe liegenden Erkenntnis, dass ich völlig gesund sei. Ja, warum denn auch nicht?! Das Kind sah die Sache zum Glück aber realistisch und äußerte erleichtert: „Vielleicht wollte Puffel nur fliegen. Er ist eben wirklich ein Superschwein!“
So, jetzt will ich euch nicht länger mit meinen Anekdoten vollquieken. Aber ihr könnt euch schon auf den nächsten Bericht freuen. Dann werde ich euch z. B. davon erzählen, dass ich von rohen Kartoffeln das Würgen kriege, aber wie gut mir Kinderhaare schmecken. Ach ja: Und wie ich Debbies Matheheft zerfetzt habe. Aber das ist eine andere Geschichte. Also: Bis dahin macht’s gut, Leute!
Euer Puffel.